Israels Einwanderungsbehörde wickelt Neonazi-Ausstieg ab
Von Felix
Bei der israelischen Einwanderungsbehörde meldet sich ein Mann, der als Jude in das „gelobte Land“ zurückkehren möchte – soweit nicht ungewöhnlich, doch er berichtet von schwerer Gefährdung für ihn, als Person. Sein Name ist John Daly und er werde von Neonazis verfolgt, er bitte um Schutz, man wolle ihn umbringen – einen Mordanschlag überlebte er nur knapp. Ein weiterer Haken: Zu diesem Zeitpunkt ist John selbst noch ein Neonazi.
Dass die israelische Einwanderungsbehörde, die sich -auf ihre Wurzeln berufend- auch der „Rettung von Juden in Not“ verschrieben hat, bei einem Nazi-Ausstieg helfen soll, ist mindestens ebenso ungewöhnlich wie der Fall des John Daly an sich. Wie konnte er -als Jude!- überhaupt eine Führungspersönlichkeit werden, in der militanten und bewaffneten US-Amerikanischen Naziskinhead-Szene? Wie konnte er gefallen an den Vernichtungsphantasien gegenüber einer jüdischen „Rasse“ finden, den Holocaust relativieren und leugnen? Und: Wieso hat man ihn dort überhaupt aufgenommen? Es ergeben sich unweigerlich einige Fragen, wenn man über die Eckdaten nachdenkt. So hatte er, wenn man das so verstehen möchte, etwas Glück, überhaupt einsteigen zu ‚dürfen‘: Seine Großmutter heiratete einst einen Iren und nahm dessen Nachnamen an – „John Daly“, das klingt in den Ohren eines Neonazis nicht nach einem Menschen mit jüdischem Hintergrund. Dennoch, vor allem bei den ersten Treffen, musste er gehörig aufpassen um nicht aufzufliegen. Das Elternhaus war voll mit Relikten aus der jüdischen Kultur – es hätte mindestens Fragen gegeben, vielleicht sogar einen ersten Verdacht. Doch Daly stieg auf, immer in der Angst, dass seine Religion eines Tages auffiel. Zumindest inhaltlich war es eine Frage der Zeit, bis die Widersprüche zu einem Ausstieg führen, doch bis dahin sollte noch viel geschehen. Wie auch in Deutschland ist Verrat in der amerikanischen Abwandlung der Nazikultur eine Todsünde. Hinzu kommt, dass man u.a. aufgrund der Rechtslage dort oftmals ein ganz anderes, auch offen positives Verhältnis zu schwerer Bewaffnung herrscht.
Verrat
Einer anderen Neonazi-Aktivistin vertraute er sich als Jude an, sie verriet ihn. Die Neonazis stellten ihm eine Falle, sie glaubten, ihn im Atlantik ertränkt zu haben, als sie eines Nachts von ihm abließen. Sie irrten: Daly überlebte knapp. Kurz darauf gab es eine andere Schießerei in der Region mit direkter Beteiligung seiner alten Kameraden, nach einigen wurde gefahndet. Daly kannte die Szene, er war dort ein Anführer – Er wusste, dass dieser Moment der Verunsicherung die vielleicht einzige Chance sein würde, lebend aussteigen zu können. Er hatte Recht und die Gruppe musste für einen Moment zum eigene n Schutz die Finger still halten. Die Einwanderungsbehörde hatte inzwischen die Formalitäten geklärt und ihn sicher in Israel ankommen lassen. Zunächst betrieb Daly nur in den USA Aufklärungsarbeit, doch irgendwann wurden israelische Sicherheitsbehörden ein zweites Mal auf ihn aufmerksam – und auf ein neonazistisches Problem, auch in Israel. Heute hält er auch hier Vorträge an Schulen und Bildungseinrichtungen.
Feind der Bewegung
Immer im Mittelpunkt: Seine selbst für Radikalisierungsbiographien außergewöhnlicher Geschichte, vom Juden zum Neonazi-Mitläufer, einen rasanten Aufstieg bis zur Führungsperson hingelegt, um von dort zum „Feind der Bewegung“ erklärt und um Haaresbreite eine Hinrichtung überlebt zu haben – Der abenteuerlich klingende Vorfall ist gerichtsfest belegt: Es handelt sich um das erste als Solches angeklagte „Hassverbrechen“ überhaupt im Bundesstaat Florida. Derzeit läuft in den US-Kinos „Escape from Room 18“ an und obwohl diese Geschichte genügend Wechselmomente für einen Spielfilm hätte, wurde es ein Dokumentarfilm, John ist dafür in verschiedene Konzentrationslager gereist.
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