Angst, Tod, Leid – Der Band Frei.Wild ist offenbar wenig heilig wenn es darum geht, die Kassen klingeln zu lassen. Zu ein- und derselben Melodie hat die Band in den letzten Tagen zwei inhaltlich absolut gegensätzliche Lieder geschrieben und samt Video veröffentlicht. Es geht um die Songs „Corona-Weltuntergang“ und „Corona-Weltuntergang v2“.

Von Felix Benneckenstein

Der erste Titel umschreibt die Lungenkrankheit Covid-19 in erster Linie als witzig, nur punktuell etwas nervig. Schließlich würde sie nur von „wahren Sorgen ablenken“. Der Song ist garniert mit Verschwörungstheorien und Verhöhnung der Erkrankten. Typisch populistische Feindbilder werden wild durcheinandergewürfelt: Was nun das weltweit grassierende Virus genauer mit Angela Merkel, Greta Thunberg, #Metoo, dem Wahl-Eklat in Thüringen oder Fridays for Future zu tun haben soll, bleibt das Geheimnis der Band. Sie alle werden jedenfalls namentlich in einen Topf geworfen und sollen als Belege dafür dienen, dass weltweit Menschen versuchen würden, mittels der Pandemie von „echten Problemen“ abzulenken. Wer dahinter steckt, lässt Frei.Wild ebenfalls offen. Es darf spekuliert werden. Und während die halbe Welt den italienischen Spruch „andrà tutto bene!” (alles wird gut!) als Zeichen der Solidarität mit ernster Miene verbreitet, antworten die Oberitaliener in ihrer geliebten Muttersprache: Deutsch. Mit einem durch übertrieben ausgeprägt gespieltes Husten begleiteten, im Kontext zynisch gemeinten “Alles wird gut” im Refrain. Bevor gegen Ende des Videos Menschen in Schutzkleidung feiern und auch Sänger Philipp Burger sich einen künstlichen Totenschädel schnappt, um diesen zu streicheln. Die Botschaft Anfang März: Menschen sterben immer, „eure“ Panik ist viel schlimmer als das Virus, die weltweite Verunsicherung dient ausschließlich den Regierungen der Welt. Pikant: Das Video wurde am 5. März veröffentlicht – zu einem Zeitpunkt, als sich abzeichnete, dass Leichen in Norditalien nur noch durch das Militär geborgen werden können und das Land bereits seit zwei Wochen über die weltweit höchste Todeszahl verfügte. Kaum jemand kann in Italien zu diesem Zeitpunkt noch über das Virus gelacht haben, zu viele haben schon Freunde und Verwandte verloren.

Zumindest aber im deutschsprachigen Raum fanden einige Verschwörungstheoretiker und treue Anhänger der Band den Song zunächst gut, die Band ließ sich feiern, es roch nach einem Chartbreaker. Doch mit der Zahl der Toten wuchs auch hierzulande die Angst. Erste wütende Kommentare, die die Band aus der eigenen Community nicht gewohnt sein dürfte und der Blick in die eigenen Familien und Dörfer, wo das Sterben kein Ende zu nehmen scheint, sorgten für ein Umdenken. Wie man es auch aus vergangenen provozierten Eklats kennt, entschuldigt sich die Band, wenn man das überhaupt so nennen darf, auf ihre ganz eigene Art und Weise: Aus dem Lied “Corona Weltuntergang” wird “Corona Weltuntergang V2”, also eine Neuauflage. Ohne aber das nun drei Wochen alte Lied von den Kanälen zu löschen oder sich unverblümt zu distanieren. Die Melodie blieb dieselbe, der Text ist extrem ähnlich, der Refrain nur marginal verändert. Einen Corona-Hit will man um jeden Preis landen. Die Botschaft lautet nun aber: Wir trauern mit euch. Wir müssen in dieser Welt zusammenhalten, das Grausame wird vergehen. Und: “Auch wir haben das Scheißding [gemeint ist das Virus] unterschätzt”.

Immerhin ein Hoffnungsschimmer bleibt: Gleich drei Mal singt die Band im neuen Text, dass sich ihre Sichtweise durch das Lied und die Katastrophe verändert hat und weiter verändern wird. Hoffen wir das Beste – Andrà tuto bene!