– von Achim Schmid

Eigentlich, so sollte man denken, sind Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ganz gut integriert. Der Türke mit dem Weihnachtsbaum im Dönerladen zum Beispiel, der seinen Kindern Weihnachtsgeschenke kauft, damit sie nicht als Außenseiter da stehen. Für den Kleinbürger ist klar: Gut integriert! Oder auch im Fernsehen, der Komiker mit Dialekt. Kommt klasse an. Aber für viele Deutsche bleibt es eben doch der Türke. Oder der Inder. Der Afrikaner.  Und das fängt schon beim Namen an. Das hat Tradition. So wurde aus zum Beispiel aus Karol Szymański, flugs Karl Schimanski. Damals, im Jahre 1901, als der Reichsdeutsche Innenminister die Germanisierung polnischer Familiennamen anordnete. Deutsch ist zwar nicht immer alles wo Deutsch drauf steht, aber hier macht man mal eine Ausnahme. Genauso wie bei den abertausenden eingedeutschten russischen, jüdischen und französischen Familiennamen.

Aber muss das heute im weltoffenen Deutschland noch so sein? Muss mein Kind wirklich Max, Jonas oder Marie heißen um akzeptiert zu werden? Was wird denn aus  Alexej, Gökhan oder Amaru? Durch den fremdklingenden Namen als „Ausländer“ gebrandmarkt. Bei der Jobsuche bereits im Bewerbungsprozess aussortiert. Weil es eben doch kein Max oder keine Marie ist. Das habe ich als ehemaliger Arbeitsvermittler und Mitglied im Prüfungsausschuss der IHK nicht gerade selten gesehen.

In der Welt von Lisa Müller, Susanne Sommer und Max Meier

Ich habe mir über dieses Thema in der Folgezeit oft Gedanken gemacht und stolperte immer wieder über dieses Integrationsproblem. Als ich 2012 ein Callcenter aus Istanbul für den Verkauf eines Versicherungsproduktes schulte, fiel mir auf, dass die Callcenter Agenten sich grundsätzlich mit typisch deutschen Namenskombinationen wie Lisa Müller, Susanne Sommer und Max Meier am Telefon meldeten. Woher das komme, wollte ich wissen. Vorherige  Produktgeber wollten das so, antwortete der Leiter des Callcenters ein wenig hilflos. Zu verlangen sich mit falschem Namen am Telefon zu melden um die Herkunft zu verschleiern fand ich allerdings schlichtweg respektlos. Wo ist denn bitte das Problem sich mit Aylin oder Ergün vorzustellen? Doch auch darauf hatte er eine Antwort: „Mit deutschem Namen vertrauen die Dir viel schneller und kaufen besser“.

Die Integration schien völlig auf der Strecke geblieben zu sein. Wo war denn das weltoffene Deutschland?  Nachdem ich nach jahrlanger ideologischer Blindheit endlich angefangen hatte meine Umwelt mit offenen Augen und offenem Geist wahrzunehmen, war dies eine herbe Enttäuschung. Doch was tun? Der Callcenter Leiter weigerte sich strikt, der fehlenden Integration wegen, seine Agenten mit echtem Namen anrufen zu lassen.

Aus Yusuf wird Joseph und aus Ibrahim wird Abraham

Später, nachdem ich in die USA ausgewandert war stellte ich fest, dass es meist keinen Unterschied macht welchen Namen man trägt. Auch wenn es den engstirnigen Amerikaner gibt. Jenen klassischen Trump-Wähler zum Beispiel. Dem zum Beispiel mein amerikanischer Freund libanesischer Herkunft recht ist, weil er Jason als Vornamen trägt. Der sich aber weigerte meine beiden Cousins (deren Vater aus dem Libanon kam), bei ihren richtigen Vornamen zu nennen, und stets aus  Yusuf einen Joseph und Ibrahim einen Abraham machten. Soviel Ordnung muss sein. Glücklicherweise wurde ich nie Zeuge dieser Engstirnigkeit und durfte beide unter ihren richtigen Vornamen kennenlernen.

Doch kommen wir zurück in die alte Heimat. Gerade vor zwei Wochen, schrieb ein bayrischer Versicherungsmakler ukrainischer Herkunft, dass er überlegt seine Kinder, ich zitiere, zu „arisieren“. Er selbst trägt einen typisch russisch klingenden Vor- und Nachnamen und möchte nicht, dass seine Kinder durch den Namen stigmatisiert werden sind und dadurch Nachteile erleiden. Die daraufhin folgende  Diskussion zeigte mir dann sehr deutlich, dass sich in der Zeit nach meinem Ausstieg (2002), dem fremdenfeindlichen Profilings der Personaler in Firmen (2009), dem eingedeutschten türkischen Callcenter Agenten aus Istanbul (2012) und nun den arisierten Kindern des Versicherungsmaklers ukrainischer Herkunft (2017) nichts geändert hat. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fängt eben im Kopf an. Integration aber auch.

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