Wie erreicht man eine Zielgruppe, die relativ abgeschottet agiert und kommuniziert mit einer Nachricht, die ihre Weltanschauung in Frage stellen soll — und das in gewohnter Umgebung und mit einem Überraschungseffekt? Diese Frage stellten wir uns gemeinsam mit Partner aus der Werbebranche — heraus kam die „Operation Trojaner T-Hemd“.
Die Idee ist alt – unser Trojaner allerdings kein Pferd, sondern ein T-Shirt. Die T-Shirts bzw. T-Hemden in Szenejargon, wurden am 06. August 2011 in Gera auf dem Rechtsrockfestival „Rock für Deutschland“ von der NPD Thüringen als Veranstalter an der Kasse kostenfrei verteilt. Erst in den eigenen vier Wänden offenbarten die T-Shirts ihre wahre Absicht: der Aufdruck mit einem Totenkopf, der Aufschrift „Hardcore Rebellen“ und den geschwenkten Fahnen der Freien Kräfte verschwand nach dem ersten Waschen und sichtbar wurde die Botschaft „Was dein T-Shirt kann, kannst Du auch — Wir helfen Dir Dich vom Rechtsextremismus zu lösen. EXIT-Deutschland“.
Die Operation
Über eine fiktive Person, die vorgab, sich aus dem politischen Kampf zurückgezogen zu haben, aber dennoch den politischen Kampf unterstütze, suchten wir den Kontakt zur NPD Thüringen. Nach einigen Nachfragen und einem verschobenen Treffen — das dann doch nicht stattfand – wurde uns wenige Tage vor dem Festival eine Kontaktadresse zugesandt.Von nun an ging alles ganz schnell. Die Pakete wurden von uns 4 Tage vor den Festival bei der Post aufgegeben, die T-Shirts am Eingang von den Veranstaltern verteilt und bereits 24 Stunden später kursierten innerhalb der Szene die ersten SMS mit folgender Warnung: „Achtung Fälschung! Gestern wurden auf dem RfD T-Shirts verschenkt, die unter dem Aufdruck Hardcore Rebellen eine Botschaft von Exit, dem staatlichen Aussteigerprogramm haben. Diese Botschaft wird erst nach dem Waschen sichtbar. Exit hat hier mehrere tausend Euro Steuergeld verschwendet“(sic.).
Am Montagmorgen fand sich der Hinweis auch auf der Facebook-Fanseite des Festivals, und die Szene diskutierte die Aktion. Die Beiträge – vom Aufruf die T-Shirts zu verbrennen bis hin zu anerkennenden Kommentaren zeigten, dass die Aktion ihre Zielgruppe erreicht hat. Wenige Stunden später schien es dem Administrator der Seite gereicht zu haben, und die Seite wurde vom Netz genommen. Doch die Diskussion ging weiter. In einschlägigen Foren verbreitete sich die Aktion und die wildesten Konteraktionenideen und Spekulationen kursierten.
250 T-Shirts fanden so den Weg direkt in die rechtsextreme Szene hinein.
Weder Scherz noch Steuerverschwendung
Die rechtsextreme Szene zeigte sich verunsichert und fragte sich, wie man solche Spenden annehmen konnte und wer dafür verantwortlich sei. Der von der Aktion überrumpelten Veranstalter des Festivals in Gera reagierte zunächst nicht. Erst Tage später ließ der Kreisverband der NPD Thüringen in einer sichtlich unbeholfen geschriebenen Pressemeldung verlauten, dass mindestens „2000 Euro Steuergelder verschwendet“ wurden und weiter „Der Kreisvorsitzende Gordon Richter reagierte mit Unverständnis auf diesen Scherz“.
Ein Scherz war die Aktion von EXIT-Deutschland – einem nichtstaatlichen Aussteigerprogramm, allerdings nicht.
Eine maßgeschneiderte Zielgruppenansprache
Mit den T-Shirts wollten wir unser Angebot in der Szene bekannter machen und vor allem die jungen und noch nicht gefestigten Rechtsextremen ansprechen. Weiterhin wollten wir unser Anliegen direkt ins Milieu hineinzutragen – das haben wir erreicht. Die „Operation Trojaner T-Hemd“ war in diesem Zusammenhang ein Element, um die rechtsextreme Szene direkt anzusprechen. EXIT-Deutschland erprobt diesbezüglich unterschiedlichste Formen der Zielgruppenansprache. Im Rahmen des Aktionskreises ehemaliger Rechtsextremisten / EXIT-Deutschland werden z. B. Flyer, Postkarten und Podcasts entwickelt, die ähnlich funktionieren wie der T-Shirt-Trojaner.
Auch wenn wir wissen, dass diese und andere Aktionen spontan keinen Rechtsextremisten dazu bringen werden, seine fremdenfeindliche und antisemitische Ideologie von heute auf morgen zu überdenken, speichert sich unser Name in den Köpfen ab. Und wenn dann irgendwann mal einer darüber nachdenkt, die Szene zu verlassen, wird er sich an uns erinnern.
EXIT-Deutschland
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